Konzeption
Der Kognitive Entwicklungstest KET-KID (Daseking & Petermann, 2009) basiert auf dem spanischen CUMANIN (Portellano Pérez, Mateos Mateos, MartÃnez Arias, Tapia Pavón & Granados GarcÃa-Tenorio, 2002). Die Grundkonzeption nimmt Bezug auf entwicklungsneuropsychologische Erkenntnisse zu neuronalen Reifungsprozessen und den umschriebenen Entwicklungsstörungen. Der Test erfasst Basiskompetenzen und kognitive Teilleistungen wie Psychomotorik, visuelle Wahrnehmungsleistungen, auditive und visuelle Gedächtnisleistungen, expressive und rezeptive Sprache sowie Aufmerksamkeit. Darüber hinaus werden Hinweise auf die Lateralität eines Kindes gewonnen.
Zu den verschiedenen Einsatzmöglichkeiten gehören in erster Linie die Früherkennung kognitiver und motorischer Teilleistungsstörungen sowie die Darstellung von Entwicklungs- und beispielsweise Rehabilitations-Verläufen in verschiedenen kognitiven Bereichen bei Kindern im Kindergartenalter.
Aufgaben
KET-KID besteht aus zehn Untertests, die Leistungen von acht Untertests werden in den drei übergeordneten Skalen
- Nonverbale Skala,
- Verbale Skala und
- Entwicklungsskala
zusammengefasst. Über verschiedene Untertests hinweg werden Angaben zur Lateralität (Hand, Fuß, Auge) erhoben. Folgende Standard-Untertests werden durchgeführt:
- Psychomotorik (z.B. Nase mit dem Finger berühren, einbeiniges Hüpfen) [Entwicklungsskala]
- Artikulation (Nachsprechen von 20 Wörtern) [Entwicklungsskala, verbale Skala]
- Auditives Gedächtnis (12 Sätze nachsprechen) [Entwicklungsskala, verbale Skala]
- Sprachverständnis (Fragen zu einer Geschichte beantworten) [Entwicklungsskala, verbale Skala]
- Räumliche Vorstellung (Nachkommen von Anforderungen mit Raumbezug: “Stelle dich vor mich!â€, “Hebe die rechte Hand!â€) [Entwicklungsskala, nonverbale Skala]
- Visuokonstruktion (Nachzeichnen von Symbolen) [Entwicklungsskala, nonverbale Skala]
- Bildhaftes Gedächtnis (Abbildungen merken) [Entwicklungsskala, nonverbale Skala]
- Rhythmus (nachklatschen) [Entwicklungsskala, nonverbale Skala]
Zusätzlich werden folgende optionale Untertests angeboten:
- Wortflüssigkeit (Sätze bilden aus vorgegebenen Wörtern)
- Aufmerksamkeit (Quadrate durchstreichen)
- Lateralität (Ermittlung von Präferenzen bei Auge, Hand, Fuß)
Die in der spanischen Originalversion enthaltenen Untertests Lesen und Schreiben wurden für KET-KID nicht übernommen, da im Gegensatz zum spanischen Bildungssystem der Schriftspracherwerb in Deutschland später einsetzt, Kinder im Alter von sechs Jahren also zum größten Teil entweder die Schule noch gar nicht oder erst seit kurzer Zeit besuchen. Inhaltlich entspricht die Entwicklungsskala einer globalen Fähigkeitsschätzung über verschiedene Entwicklungsdimensionen hinweg. Mit dem Wert der nonverbalen Skala kann eine Angabe zu Fähigkeiten der Kinder getätigt werden, die keine oder nur sehr geringe aktive Sprachkompetenzen erfordern, allerdings werden rezeptive Sprachleistungen für das Aufgabenverständnis vorausgesetzt. Die verbale Skala ermöglicht eine Aussage über expressive Sprachleistungen.
Durchführung
Die Durchführung erfolgt hochstandardisiert und ist im Manual umfangreich angeleitet. Die Durchführung der acht Standardtests erfordert etwa 25-30 Minuten, zuzüglich der optionalen Tests können auch bis zu 45 Minuten erforderlich sein.
Auswertung
Die Auswertung wird durch die Gestaltung des Protokollbogens und durch ausführliche Hinweise im Manual (etwa bei “Visuokonstruktionâ€) sowie durch ein vollständiges Beispiel im Manual unterstützt.
Interpretation
Die Interpretation der Prozentwerte kann nur bei vorhandenen Kenntnissen zur empirischen Verteilung von Leistungen sinnvoll durchgeführt werden.
Die inhaltliche Interpretation der Testergebnisse orientiert sich an der Zuordnung der Untertests zu den vier Leistungsbereichen (Indizes). Auffällige Leistungen im Index Zahlen- und Mengenwissen weisen dabei auf ein erhöhtes Risiko zur Ausbildung einer Rechenstörung hin, auffällige Befunde im Sprachverständnis sind mit einem erhöhten Risiko zur Ausbildung einer Lese-Rechtschreibstörung verbunden. Auffällige Leistungen in den Indizes Selektive Aufmerksamkeit und Visuell-räumliche Wahrnehmung können als unspezifische Teilleistungen sowohl auf eine Rechenstörung als auch auf eine LRS hinweisen. Die Interpretation von Ergebnisprofilen wird durch Fallbeispiele im Anhang des Manuals unterstützt, wobei sich die Fallbespiele auf häufig vorkommende Fragestellungen (z.B. Aufmerksamkeitsstörung, umschriebene Entwicklungsstörungen) und Risikokonstellationen (z.B. Geburtskomplikationen, Migrationshintergrund) beziehen.
Normierung
Es liegen Normen für Kinder im Alter von 3;0 bis 6;5 in Halbjahresabschnitten vor, die auf den Ergebnissen von N = 650 Kindern aus unterschiedlichen Standorten in Deutschland (16 Standorte in sieben Bundesländern) basieren. Kinder mit bedeutsamen Vorbefunden wie dem einer gravierenden Entwicklungsstörung wurden aus der Normierung ausgeschlossen. Mädchen (50.2%) und Jungen (49.8%) sind in der Stichprobe ähnlich verteilt wie in der Bevölkerung. Etwa 20% der Kinder weisen einen Migrationshintergrund auf. Im Manual werden weitere Angaben zur Stichprobe gemacht, unter anderem zum Bildungshintergrund der Eltern und zur Lage und Trägerschaft der beteiligten Kindergärten.
Gütekriterien
Die berichteten Verteilungseigenschaften der Untertests verzeichnen über alle Altersgruppen hinweg einen systematischen Leistungsanstieg, der für einzelne Untertests (z.B. Wortflüssigkeit) deutlichen Entwicklungssprünge aufweist, bei anderen Untertests (z.B. Artikulation,Bildhaftes Gedächtnis) ab einem bestimmten Alter hingegen eine Plateaubildung aufweist.
Standardisierte Instruktionen und Hinweise zum Ausfüllen des Protokollbogens sowie einfache Auswertungsmodalitäten, die zudem genau beschrieben sind, ermöglichen eine hohen Durchführungs- und Auswertungsobjektivität. Untertests, die eine exakte Aussprache verlangen, werden von einer Audio-CD standardisiert vorgegeben. Die Interpretationsobjektivität wird durch die Angabe von Interpretationshinweisen und Interpretationsbeispielen im Manual unterstützt.
Es wurden die internen Konsistenzen (Cronbachs Alpha) bestimmt, die Koeffizienten liegen auf Untertestebene zwischen r = .68 (Rhythmus)und r = .90 (Auditives Gedächtnis) und können insgesamt als gut bezeichnet werden. Sie unterscheiden sich nur minimal von den im spanischen Manual publizierten Werten.
Für die übergeordneten Skalen wurden die Stabilitätskoeffizienten in Form der Produkt-Moment-Korrelation nach Pearson bei einer Stichprobe von N = 42 Kindern bestimm, der Testabstand betrug im Mittel 35 Tage. Mit r = .94 für die Entwicklungsskala sowie r = .82 für die sprachfreie und r = .96 für die sprachgebundene Skala kann die Retest-Reliabilität für KET-KID als sehr hoch eingeschätzt werden.
Verschiedene Studien, so zu geschlechtsspezifischen Leistungsunterschieden und zu Differenzen zwischen ein- und zweisprachig aufwachsenden Kindern, belegen eine gute Differenzierungsfähigkeit. Die Faktorenanalyse bestätigt die theoretischen Annahmen zur Zuordnung der Untertests zu einer nonverbalen und einer verbalen Skala stabil nur für die älteren Kinder. Die Interkorrelationen gestalten sich erwartungskonform.
Die klinische Validität wurde durch eigene Studien der Autoren zu den Folgen von mütterlichem Nikotinkonsum während der Schwangerschaft (Danielsson, de Boer, Petermann & Daseking, 2009), zu Sprachentwicklungsstörungen (Danielsson, Daseking & Petermann, 2010) und zur Rolando-Epilepsie (Danielsson & Petermann, 2009) bestätigt. Dazu werden Studien zum spanischen Originaltest berichtet, die sich auf Kinder mit niedrigem Geburtsgewicht und Kinder mit Lernbehinderung beziehen.
Kritik
Mit KET-KID liegt ein ökonomisches Verfahren vor, das als Breitband-Screening bei verschiedenen Fragestellungen der Diagnostik in der klinischen Kinderpsychologie, der Rehabilitation oder der kinderärztliche Vorsorgeuntersuchung zum Einsatz kommen kann. Der Test kann auf Gütekriterien verweisen, die eine hohe Zuverlässigkeit der Ergebnisse erwarten lassen. Als Ausnahme kann hier einzig der Untertest Rhythmus angeführt werden, der einen hohen Bodeneffekt aufweist, sich also offensichtlich als zu schwer für diesen Altersbereich erweist. Damit verringert sich die Differenzierungsfähigkeit in diesem spezifischen Leistungsbereich.
|