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Entwicklungstest

Entwicklungsdiagnostik: Grundlagen

 

 

1 Entwicklungsdiagnostik: Begriffsbestimmung

Der Begriff Entwicklungsdiagnostik wird aktuell in unterschiedlichen Zusammenhängen verwandt:

  • In einem weiteren Sinn versteht man darunter eine entwicklungsorientierte Diagnostik mit dem Ziel, lebenslaufbezogene Veränderungen psychologischer Phänomene zu identifizieren und zu beschreiben.
  • Im engeren Sinn bezieht er sich auf Entwicklungstests, mit denen man entwicklungbezogene Leistungsdaten, insbesondere im Kindesalter, erheben kann.

Bei der Entwicklungsdiagnostik werden neben entwicklungsbezogen interpretierbaren Leistungsdaten auch relevante Merkmale aus dem biopsychosozialen Kontext berücksichtigt. Einen Zugang hierzu besteht in der Erfassung personenbezogener Merkmale wie zum Beispiel von biologischen Risiken (z.B. Risiken im Schwangerschafts- und Geburtsverlauf) oder Verhaltens- und Temperamentsmerkmalen sowie von Bedingungen im ökologischen Kontext, wie zum Beispiel Merkmale des familiär-häuslichen sowie des erweiterten sozialen Umfelds. Häufig sind nur auf dieser erweiterten Grundlage eine Interpretation und eine Prognose von Entwicklung möglich.
Entwicklungsdiagnostik im engeren Sinn bezieht sich auf einen umschriebenen Bereich der Leistungsdiagnostik im Kindesalter. Während historisch gesehen im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert die zentrale Zielsetzung in der Identifikation von Risikokindern vor der Einschulung bestand, richtete sich in den letzten Jahrzehnten der Fokus zunehmend auch auf das Säuglings- und Kleinkindalter, um im Rahmen moderner Förder- und Therapiekonzepte abweichenden Entwicklungen bereits frühzeitig entgegenzuwirken. Ein Entwicklungstest ist gekennzeichnet durch spezifische Zusammenstellungen von Testaufgaben und Skalen, die einen engen Entwicklungsbezug aufweisen.
 

2 Entwicklungstests

2.1 Grundlagen von Entwicklungstests

In der historischen Rückschau lässt sich ein traditionelles von einem modernen Entwicklungsverständnis unterscheiden (s.a. Anlage-Umwelt-Debatte):

  • Beim traditionellen Verständnis wird Entwicklung als neurologische Reifung definiert. Hiernach wurden universelle Entwicklungsprinzipien postuliert, eine einheitliche und eng verzahnte Entwicklung, wobei schon geringe Abweichungen als pathologisch bewertet wurden.
  • Das moderne Verständnis berücksichtigt das empirisch belegte, hohe Ausmaß an Variabilität normaler Entwicklung, wodurch den Aussagen moderner Entwicklungstests ein erweitertes Normalitätsverständnis (s.a. hier) zu Grunde liegt.

 

2.2 Inhaltlicher Aufbau von Entwicklungstests

Es lassen sich Screeningverfahren, allgemeine Entwicklungstests und spezifische Entwicklungstests unterscheiden.

  • Entwicklungsscreenings sind Kurztestverfahren, die eine zeitökonomische (ca. 10-15 Min.), grobe Orientierung über gravierende Auffälligkeiten liefern. Es wird im Ergebnis eine einfache Klassifikation (auffällig oder unauffällig) vorgenommen; im Bedarfsfall schließt sich eine Differenzialdiagnostik zur präzisen Abklärung vorhandener Defizite an.
  • Allgemeine Entwicklungstests ermöglichen eine differenziertere Orientierung über ein breites Spektrum kindlicher Entwicklung und greifen im Wesentlichen auf folgende Gliederung zurück:
     
    • Körpermotorik (Grobmotorik),
    • Handgeschicklichkeit, Auge-Hand-Koordination (Visuomotorik),
    • Wahrnehmung,
    • kognitive Entwicklung,
    • Sprachentwicklung,
    • Sozialentwicklung,
    • emotionale Entwicklung und
    • lebenspraktische Fertigkeiten.
       
  • Spezifische Entwicklungstests nehmen Aussagen zu ausgewählten, umschriebenen Bereichen vor. Spezifische Entwicklungstests ermöglichen eine psychometrische Erfassung der Entwicklung umschriebener Leistungen. Dabei finden sich zu jedem der oben aufgeführten Bereiche spezifische Entwicklungstests, darüber hinaus orientieren sich manche Verfahren an umschriebenen Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten (Lese- und Rechtschreibstörung, Rechenstörung) und deren Vorläuferstörungen.

Zusätzlich von Bedeutung sind solche Verfahren, die sich in der Erfassung entwicklungsbezogener Leistungsdaten auf eine Fremdeinschätzung (z.B. Eltern- oder Erzieherurteil) stützen.

 

2.3 Konstruktionsmerkmale von Entwicklungstests

Die Testaufgaben und Skalen von Entwicklungstests weisen typische Besonderheiten auf:

  • In Entwicklungstests überwiegen leichte Testaufgaben, da so Defizite präziser abgeklärt werden können. Eine Aufgabe, die mit zunehmendem Alter von immer mehr Kindern bewältigt werden kann, dokumentiert die mit dem Alter zunehmende Kompetenz.
  • Die Skalenwerte nehmen im Allgemeinen mit steigendem Alter zu, so dass ältere Kinder bei gleicher Aufgabendarbietung bessere Testleistungen zeigen als jüngere Kinder.

 

Entwicklung ist zumeist auch durch Leistungszunahme (Anwachsen von Fertigkeiten) bestimmt: Im Entwicklungsverlauf erweitern Kinder ihre Fähigkeiten, innerhalb umschriebener Leistungsbereiche Aufgaben schneller und effizienter zu bearbeiten. Durch die fortschreitende Differenzierung und Integration von Leistungen sind in vielen Bereichen auch qualitative Sprünge (Phasenübergänge) erkennbar: es werden neue, inhaltlich abgrenzbare Fähigkeiten (z.B. neue Klassen kognitiver Operationen) ausgebildet. Moderne Entwicklungstests wollen beide Aspekte abbilden. So ist es möglich, Kindern innerhalb umschriebener Entwicklungsbereiche gleichartige Aufgaben mit wachsender Schwierigkeit vorzugeben und anhand des erreichten Schwierigkeitsniveaus eine Entwicklungsaussage vorzunehmen. Die Abbildung qualitativ unterscheidbarer Entwicklungsniveaus gelingt zum Teil anhand von Stufensequenzen aufeinander aufbauender, unterschiedlicher Leistungen.
Die Item- und Skalenauswahl sowie insbesondere die Auswahl einer Testform bestimmen maßgeblich den Aussagebereich eines Verfahrens. Alle aktuell bedeutsamen Entwicklungstests finden in den Testformen Stufenleiter, Testbatterie und Inventar eine Entsprechung (vgl. Petermann & Macha, 2003a):

  • Stufenleiterverfahren: Diese älteste Testform ist in ihren Konstruktionsprinzipien orientiert an Reifungsmodellen und ist somit nur bedingt geeignet, die Variabilität normaler Entwicklung zu berücksichtigen. Es werden inhaltlich verschiedene Testaufgaben entsprechend nach dem Alter gereiht, in dem die Kinder einer Referenzstichprobe (z.B. zu 50%) diese Aufgaben lösen konnten, es wird dann ein leicht unterforderndes Einstiegsniveau für den individuellen Testeinstieg bestimmt, der Testabbruch erfolgt dann, wenn ein Kind die zunehmend schwierigeren Aufgaben nicht mehr lösen kann. Stufenleitern zeichnen sich durch besondere Übersichtlichkeit aus und bilden häufig Entwicklungssequenzen gut ab.
  • Testbatterien: Bei dieser Form können in separaten Untertests isolierte Teilleistungen überprüft werden. Meistens werden gleichartige Testaufgaben - sequentiell nach der Aufgabenschwierigkeit geordnet - vorgegeben und wiederum das Leistungslimit bestimmt. Solchen Testbatterien liegt die Annahme zu Grunde, dass die geringe Zahl ausgewählter Teilleistungen in angemessener Weise Entwicklung repräsentieren.
  • Inventare: Bei dieser Testform werden für einen Entwicklungsbereich vielfältige qualitative Aspekte abgebildet. Innerhalb gewisser Grenzen (unabhängig vom Leistungsniveau des Kindes) wird der Test komplett absolviert und kennzeichnet die Variabilität von Entwicklungsverläufen. Diese Testform weist inhaltlich heterogene Skalen auf.
     

In der pädiatrischen Praxis sind Stufenleitern besonders verbreitet, während Testbatterien eher kinderpsychologische Fragestellungen aufgreifen. Inventare zur allgemeinen Entwicklungsdiagnostik orientieren sich an den global gefassten, allgemein orientierenden Fragestellungen verschiedener Disziplinen, zum Beispiel der Heil- und Sonderpädagogik, Sprachpädagogik und Ergotherapie.

 

2.4 Aussagemöglichkeiten von Entwicklungstests

Mit Entwicklungstests erfasst man Entwicklungszustände und Entwicklungsverläufe. Aussagen zu Entwicklungsverläufen lassen sich erst nach Erhebung mehrerer Entwicklungszustände zu verschiedenen Zeitpunkten treffen. Wiederholte Messungen dienen der Verlaufskontrolle, zum Beispiel der Wirksamkeitsüberprüfung von Fördermaßnahmen oder dem Einfluss von Erkrankungen oder sonstigen Risiken im zeitlichen Verlauf. Die Aussagemöglichkeiten eines Entwicklungstests sind auch abhängig von der Art ihrer Ergebniswerte und deren Darstellungsweise:

  • Moderne Entwicklungstests erstellen ein Entwicklungsprofil, um Defizite und Ressourcen verschiedener Bereiche (z.B. Motorik, kognitive Entwicklung, Sprache, emotionale Entwicklung) differenziert gegenüberzustellen.
  • Ein Gesamtentwicklungsquotient, der aus einer Mittelung von Testleistungen in unterschiedlichen Bereichen (z.B. Motorik, kognitive Entwicklung, emotionale Entwicklung) resultiert, wird heute als zu undifferenziert bewertet.
  • Das Ausmaß von Schwankungen im Entwicklungstempo ist über die Angabe von Entwicklungsrückständen oder –vorsprüngen (z.B. “Entwicklungsverzögerung von 6 Monaten”) möglich. Solche Entwicklungsalter sind anschaulich und einfach kommunizierbar, stehen aber aktuell in der Kritik, da sie, zumindest im Falle von Stufenleitern, auf Reifungsmodellen beruhen und das Zustandekommen der Testleistungen vernachlässigen. Ein zum Beispiel fünfjähriges Kind, das die Testleistungen eines durchschnittlichen dreijährigen Kindes zeigt, erbringt diese mit großer Wahrscheinlichkeit auf eine andere Weise: So ist die neurofunktionelle Basis eines geschädigten Zentralnervensystems von der eines jüngeren, intakten Zentralnervensystems verschieden.
  • Standardwerte wie zum Beispiel Entwicklungsquotienten (EQ), T-Werte, C-Werte orientieren sich an der Werteverteilung einer Normenstichprobe und berücksichtigen bekannte statistische Zusammenhänge von Verteilungen. Auf diese Weise wird es möglich, eine präzise psychometrische Beschreibung vorzunehmen und ein Testergebnis objektiv zu interpretieren, da Standardwerten eindeutigen Beurteilungskategorien wiezum Beispiel überdurchschnittlich, durchschnittlich oder weit unterdurchschnittlich zugeordnet werden können. Ab wann zum Beispiel eine unterdurchschnittliche Testleistung auch als Entwicklungsverzögerung zu bewerten ist, wird von den Autoren eines Entwicklungstests festgelegt. Dabei stimmen die meisten aktuellen Verfahren darüber überein, ab welcher Leistungsabweichung von einem Entwicklungsrückstand gesprochen werden kann.

 

2.5 Güte von Entwicklungstests

Alle aktuellen Entwicklungstests sind als standardisierte Tests konzipiert, das heißt die Durchführung, Auswertung und Interpretation erfolgt objektiv und gewährleistet zuverlässige Ergebnisse. Je nach Testform ist der Nachweis der Reliabilität von Entwicklungstests häufig schwierig vorzunehmen, da die Eigenschaften von Entwicklungstests die möglichen methodischen Zugänge der Reliabilitätsschätzung einschränken (vgl. Petermann & Macha, 2003a). Alle aktuellen Entwicklungstests weisen inhaltliche Validität auf (vgl. Macha, Proske & Petermann, 2005).
Wie in vielen Bereichen der Leistungsdiagnostik ist auch in der Entwicklungsdiagnostik die Aktualität von Normen von großer Bedeutung. Für viele Leistungsbereiche sind generationsbedingte Veränderungen zu erwarten, so zeigen Kinder heutzutage vielfach deutlich bessere Testwerte als Kinder vergangener Jahrzehnte. Bereits zehn Jahre alte Testnormen können zu spürbaren Verzerrungen in der Beurteilung von Testleistungen führen (s. Flynn-Effekt).

 

2.6 Praktikabilität von Entwicklungstests

Leistungsdiagnostik im Kindesalter muss die Eigenschaften von Kindern berücksichtigen. Junge Kinder sind kaum in der Lage, ihre Aufmerksamkeit zu fokussieren und aufrecht zu erhalten. Die Motivation von Kindern unterliegt vielfältigen Einflüssen und ist wesentlich von einer positiven Interaktion mit dem Untersucher sowie von einer kindgerechten Präsentation von Material und Testaufgaben abhängig. Entwicklungstests bemühen sich dabei um eine möglichst spielerische Durchführung, wobei dies von der Testform abhängig ist. Hochstrukturierte und wenig abwechslungsreiche Aufgabenfolgen laufen grundlegenden Untersuchungsprinzipien des Kindesalters zuwider und drohen die Ergebnisse in den verschiedenen Leistungsbereichen durch herabgesetzte Testmotivation des Kindes zu verzerren.

 

3. Entwicklungsprognosen

Entwicklungstests liefern wichtige Ansatzpunkte für die Erstellung von Entwicklungsprognosen. Dabei gelingt es noch nicht, allein aus dem allgemeinen oder einem spezifischen Entwicklungsstand im Säuglings- oder Kleinkindalter zuverlässige Prognosen für den Zeitpunkt der Einschulung oder den Schulerfolg zu formulieren. Je nach spezifischer Testleistung und je nach individuellem Profil ist die prognostische Qualität von Entwicklungstests unterschiedlich zu bewerten. Dabei gilt folgende Grundregel: je deutlicher Entwicklungsabweichungen zu einem Zeitpunkt ausfallen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie auch zu einem späteren Zeitpunkt ein ähnliches Ausmaß aufweisen.
Ein Kind, das zum Beispiel mit drei Jahren kognitive Leistungen zeigt, die einer schweren geistigen Behinderung entsprechen, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch zum Zeitpunkt der Einschulung noch eine geistige Behinderung aufweisen. Je weiter sich allerdings Testleistungen dem Durchschnittsbereich annähern, desto geringer sind die prognostischen Aussagemöglichkeiten: Bereits im unterdurchschnittlichen Bereich (Risikobereich) und im Durchschnittsbereich kommt den Entwicklungsbedingungen eine große Bedeutung für den weiteren Entwicklungsverlauf zu. Die Prognose für ein Kind mit leicht unterdurchschnittlichen Leistungen ist neben kindbezogenen Risiken (biologischen Risiken, Temperamentsmerkmalen) in hohem Maße abhängig vom familiären und sozialen Umfeld sowie von Förder-, Therapie- und Integrationsmaßnahmen. Die spezifische Bedeutung dieser Faktoren ist jeweils abhängig vom Alter des Kindes, der Art der Entwicklungsabweichung (z.B. psychischen Störung) sowie ihrer Veränderbarkeit. Die Erfassung der Entwicklungsbedingungen und der Lebensumwelt ist prinzipiell Bestandteil der Anamnese und erfolgt heute noch wenig strukturiert.

 

4. Empfehlungen zum Einsatz von Entwicklungstests

Verschiedene Entwicklungstests weisen unterschiedliche Gültigkeitsschwerpunkte auf. Bei der Auswahl eines Verfahrens ist zu berücksichtigen:

  • Wie viel Zeit steht für die Untersuchung zur Verfügung, ist ein Screening notwendig oder eine differenzierte Diagnostik möglich?
  • Auf welche Entwicklungsbereiche soll ein besonderes Augenmerk gerichtet werden?
  • Sollen vorrangig Defizite identifiziert oder auch Ressourcen präzise beschrieben werden? Kann ein Entwicklungstest in verschiedenen Leistungsbereichen ausreichend differenzieren?
    Sind durch ein Verfahren Benachteiligungen für ein Kind oder eine Gruppe von Kindern zu erwarten (z.B. motorische Gebundenheit, Sprachabhängigkeit)?
  • Liegen aktuelle Normen vor?
  • Kann eine kindgerechte Testdurchführung erfolgen?

Um die Aussagemöglichkeiten von Entwicklungstests einschätzen zu können, kann auf einschlägige Kompendien (Brähler, Holling, Leutner & Petermann, 2002; Rauchfleisch, 2001; Petermann & Macha, 2005b) oder Testbesprechungen in der Diagnostica hingewiesen werden.

Tabelle: Auswahl etablierter deutschsprachiger Entwicklungstests.

[überarbeiteter Auszug aus Macha und Petermann, 2006]

 

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