Die EBD 48-72 orientieren sich wie auch die EBD 3-48 (Petermann, Petermann & Koglin, 2008) am Meilenstein-Prinzip (vgl. a. Grenzstein-Prinzip; Michaelis & Niemann, 2004). Danach muss jedes Kind, unabhängig davon wie vielfältig die Entwicklung unterschiedlicher Kinder verlaufen kann, in allen Entwicklungsbereichen bestimmte Entwicklungs-Knotenpunkte absolvieren und bestimmte Fertigkeiten jeweils bis zu bestimmten Alterszeitpunkten erwerben. Es handelt sich dabei um Basisfertigkeiten, die für eine ungestörte Entwicklung notwendige Voraussetzungen sind und die zu den jeweiligen Beobachtungszeitpunkten von etwa 90-95 Prozent aller gesunden Kinder erreicht werden. Die Meilensteine der Entwicklung sind notwendige Etappen im Entwicklungsverlauf, wird ein Meilenstein verpasst weist dies mit hoher Wahrscheinlichkeit auf einen Entwicklungsrückstand hin.
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Die EBD 48-72 stellen keinen Test im engeren Sinne dar, sondern eine Arbeitshilfe (Checkliste) im pädagogischen Alltag, mit der in den fünf Altersgruppen (Monate;Tage)
- 48 Monate (47;00 bis 49;00),
- 54 Monate (53;00 bis 55;00),
- 60 Monate (59;00 bis 61;00),
- 66 Monate (65;00 bis 67;00) sowie
- 72 Monate (71;00 bis 73;00)
jeweils die Bereiche
- Haltungs- und Bewegungssteuerung,
- Fein- und Visuomotorik,
- Sprachentwicklung,
- Kognitive Entwicklung
- Emotionale Entwicklung sowie
- Soziale Entwicklung
abgebildet werden. Die Aufgaben der Altersgruppe “48 Monate” sind dabei identisch mit den Aufgaben der Altersgruppe “48 Monate” der EBD 3-48.
Aufgaben
Die Auswahl der Aufgaben basiert auf einschlägigen Entwicklungstests, unter anderem dem ET 6-6 (Petermann, Stein & Macha, 2008), dem Kognitiven Entwicklungstest für das Kindergartenalter (KET-KID; Daseking & Petermann, 2009), den Sprachstandserhebungstest für Kinder im Alter zwischen fünf und zehn Jahren (SET 5-10; Petermann, 2010) sowie dem Psychosozialen Entwicklungsgitter (Kiphard, 2006). An die einzelnen Aufgaben wurden dabei unter anderem folgende Anforderungen gestellt:
- Geringer Zeit- und Kostenaufwand,
- alltagsnahes und leicht zu beschaffendes Testmaterial sowie
- einfache und praktische Handhabung in Kindertageseinrichtungen.
Es werden in jedem der sechs Bereiche grundsätzlich vier Aufgaben durchgeführt. Für jede Aufgabe ist das notwendige Material sowie die Durchführung beschrieben, so dass eine möglichst objektive Beurteilung gewährleistet ist. Hierzu zwei Beispiele:
- 48 Monate, Haltungs- und Bewegungssteuerung, 3. Aufgabe:
Fängt einen großen Ball mit den Händen
Material: z.B. großer Schaumstoffball
Stellen Sie sich dem Kind in etwa 2 Meter Entfernung gegenüber und werfen ihm einen großen weichen Ball zu. Ermuntern Sie es, den Ball aufzufangen. Mehrere Versuche sind erlaubt.
Erfüllt: Das Kind wendet seinen Körper dem Ball zu, streckt die Arme gezielt aus und fängt den Ball mit den Händen auf.
Nicht erfüllt: Der Ball kann auch nach mehreren Versuchen nicht oder nur unter Zuhilfenahme von Brust und Armen gefangen werden.
- 66 Monate, Sprache, 3. Aufgabe:
Beantwortet Fragen zu einer Geschichte
Material: -/-
Beobachten Sie, ob das Kind Fragen zu einer vorgelesenen Geschichte ausführlich beantworten kann. Es antwortet in korrekten Sätzen und bietet Erklärungen dazu an (z.B. “Er hat ihn gefragt, weil er auch in die Höhle wollte”).
Erfüllt: Das Kind kann die Fragen ausführlich beantworten.
Nicht erfüllt: Das Kind hat Schwierigkeiten, die Fragen zu beantworten.
Durchführung
Es liegen farblich gekennzeichnete, altersspezifische Dokumentationsbögen vor, auf denen die Leistungen des Kindes protokolliert werden. Die Reihenfolge der Aufgaben darf variiert werden, es werden zahlreiche Hilfestellungen, beispielsweise zur allgemeinen Verfassung, zur Körperposition des Kindes oder die Möglichkeit des Einbezugs der Eltern formuliert.
Neben den einzelnen Protokollbögen liegt auch ein Bogen vor, in den die Ergebnisse von Untersuchungen zu verschiedenen Zeitpunkten eingetragen werden können, so dass eine Übersicht über den Entwicklungsverlauf möglich ist.
Auswertung
Es wird für jeden Bereich die Anzahl der erfüllten (von je insgesamt 4) Aufgaben ermittelt. Hierfür ist maximal eine Minute erforderlich.
Interpretation
- 0 bis 1 Aufgabe innerhalb eines Bereichs gekonnt: auffälliger Befund.
- 2 Aufgaben innerhalb eines Bereichs gekonnt: grenzwertiger Befund.
- 3 bis 4 Aufgaben innerhalb eines Bereichs gekonnt: unauffälliger Befund.
Das Manual enthält zahlreiche Hinweise, die eine umsichtige Interpretation gewährleisten. Drei praxisnahe Fallbeispiele erhöhen die Beurteilungssicherheit. Zusätzlich finden sich zahlreiche Anregungen für gezielte Fördermaßnahmen.
Normierung
Ab dem Herbst 2010 wird eine überregionale empirische Studie zur Ermittlung der Testkennwerte der EBD 48-72 durchgeführt werden.
Gütekriterien
Bislang liegen keine Angaben vor.
Kritik
Mit der EBD 48-72 können viele Kinder, bei denen der Verdacht auf eine Entwicklungsverzögerung vorliegt, bereits frühzeitig im Alltag der Kindertagesstätte identifiziert und deren spezifischen Stärken und Auffälligkeiten dokumentiert werden. Leider erfolgte die Veröffentlichung bereits vor einer Normierung und testpsychologischen Analyse, welche die Autoren nachreichen wollen. Dem Manual liegt eine CD bei, auf dem sich die Protokollbögen befinden und ausgedruckt werden können: So ist kein Nachkauf von Formularen mehr notwendig. Besonders hervorzuheben ist, dass in Ergänzung zur Diagnostik im Manual bereits Hinweise zu Übungen und Förderempfehlungen (vgl. a. Koglin & Petermann, 2006) formuliert werden, die sich gut in den Gruppenalltag integrieren lassen.
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